Kirchen, pastoraler Dienst und Resonanz im Zeitalter der Beschleunigung
Unter diesem Titel haben sich vom 23.-24. September Theologen, Pastorinnen und Soziologen in Princeton (New Jersey, USA) zu einer Konferenz über getroffen. Mittelpunkt waren die Arbeiten des deutschen Soziologen Hartmut Rosa, die sich um das Thema Beschleunigung drehen, also die Frage warum wird unsere Welt eigentlich immer schneller und unübersichtlicher. Und ich war dabei! Da ich mich 2019 in meiner Masterarbeit mit Rosas Thesen auseinandergesetzt habe, durfte ich als Referentin den angeregten Austausch mitgestalten.
In vielfältigen Vorträgen vom Umgang mit psychischen Krankheiten über Gebet als Moment der Resonanz zur Biographie eines der ersten Megachurch-Pastoren der USA, Robert Schuller, ging es darum, was Beschleunigung und Resonanz für Gemeindearbeit bedeuten. In einer Zeit, in der viele Kirchen mit schwindenden Mitgliedszahlen kämpfen, liegt es nahe, vor allem die Frage nach Relevanz und Wachstum von Gemeinden zum Thema zu machen. Damit werden Kirchen aber selbst zu einem Ort der Beschleunigung, an dem man leicht ausbrennt und die eigentliche Begegnung zwischen Menschen oder Mensch und Gott schwieriger wird. Könnte der Fokus auf Resonanz hier ein Weg vorwärts sein, dass wir uns neu darauf besinnen, dass es mehr ums Sein, ums „In-Beziehung-Sein“, als ums Tun geht? Resonanz ist, laut Rosa, ein Moment, in dem wir Erfüllung erleben, in dem es zur Veränderung kommen kann, weil wir neu durch etwas anderes, einen Menschen, die Natur, Musik, aber auch Werte und Glauben berührt werden. Das Entscheidende ist Resonanz kann man nicht „machen“. Das, was wir brauchen bleibt mit Rosas Worten „unverfügbar“? Hier steckt natürlich auch eine theologische Botschaft drin: Das, was wir letzten Endes brauchen, können wir uns nicht selber geben, sondern sind darauf angewiesen, dass Gott handelt. In meinem eigenen Vortrag habe ich über die Auswirkungen von Technik und Technologie in unserem Alltag und Gemeinden nachgedacht. Technische Möglichkeiten vermitteln uns oft den Eindruck, dass alles um uns herum kontrollierbar ist und dass Lösungen in unseren unsicheren Zeiten in der nächsten technischen Entwicklung liegen werden. Die selben technischen Mittel, die unsere kriegerischen Auseinandersetzungen so brutal machen, unser Lebenstempo beschleunigen, unsere Aufmerksamkeit fesseln sollen die Lösung unserer Probleme sein. Während wir vielleicht bereit sind über die Grenzen von Technik zu diskutieren, hinterfragen wir selten, ob wir überhaupt in einer Welt mit immer mehr Technologie leben wollen und wie diese Grundeinstellung der Machbarkeit uns als Menschen und Gemeinden verändert.
Hartmut Rosa selbst nahm an der Konferenz teil und nach jedem zweiten Vortrag gab es eine Podiumsdiskussion mit ihm und den jeweiligen Referenten. Die Gespräche waren ehrlich und gaben Raum, zu erzählen, was es bedeutet mit leeren Kirchengebäuden und Finanzfragen zu kämpfen, aber auch der Hoffnung, dass Kirche genau das haben könnte, was wir heute am Dringendsten brauchen, einen Ort an dem nicht alles einfach erklärbar und verfügbar ist. Als es am Ende der Konferenz auch um die Frage nach der Ewigkeit ging, wurde noch einmal deutlich, dass bei allem worauf wir uns besinnen können, wir auch darauf warten, dass Gott eingreift und handelt, eine Unterbrechung unserer Zeit durch Gottes Zeit. Ich bin sehr dankbar über viele Gespräche, die sich auch am Rande der Konferenz ergeben haben zu den wichtigen Fragen unserer Zeit, denn wenn Rosa wirklich recht hat, dass in unserer schnellen Zeit erfülltes Leben immer schwieriger wird, stellt sich neu die Frage, wie wir überhaupt leben wollen. Wie jede gute Tagung fahre ich also auch mit neuen Fragen weg. Danke für alle euer Mitdenken im Vorfeld und eure Gebete!
Fotos: ©Center for Barth studies